Im Rausch der Tiefe

Früher dachte ich immer, tauchen wäre wie Fahrrad fahren; hat man es einmal erlernt, ist es schwer es wieder zu verlernen. Doch etwas ist anders. Das Ausschalten des Überlebensinstinktes unter Wasser ist essentiell, jede Panikattacke lässt den Anfänger am Weitermachen zögern, zu lebensfeindlich scheint das Erlebte; bei erfahrenden Tauchern sind diese Attacken eher selten, aber dafür sind partiell auftretende Mehrverbräuche an Luft einfach nur ärgerlich, da es die Tauchzeit verkürzt; und um eben diese Tauchzeit geht es bei jedem Dive. Das Tauchen immer wieder in Kombination mit der Urangst in Verbindung gebracht wird, es auch nichts Neues: Vergessen auf hoher See, Unterkühlung, kein Trinkwasser, Strömung, Haie, Ertrinken…

In der Nähe von Marsa Alam gibt es das Elphinstone Riff, spektakuläre Umgebung, nicht nur für Taucher, auch Schnorchler kommen auf ihre Kosten. Letztes Jahr im November kam es einer folgenschweren Verkettung von Umständen, welche zu einem tragischen Ende führten. Genau solche Geschichten wollt Ihr doch hören, oder? Je oller, desto doller…reißerische Überschriften wie „Die Apokalypse unter Wasser“, „Puste aus, wat nun“ oder „10 kleine Taucherlein…“ tragen ein Übriges dazu. Aber zur Sache Basti: Für 360 Tage im Jahr verläuft die Strömung von Nord nach Süd an diesem Riff. Damit werden die Taucher im Norden vom Boot ins Wasser springen und mit der Strömung, Richtung Süden treibend, tauchen. Nach einer Stunde wartet das Boot an einem vorher vereinbarten Platz – genau im Süden. An jenem Tag im November verlief die Strömung aber von Süd nach Nord. Der junge Tauchguide wurde darüber nicht informiert und hatte auch nur 40 Tauchgänge, bis zu diesem Zeitpunkt, absolviert. Die Tauchgruppe bestand auch vier weiteren Personen. Die Gruppe wurde mit der Strömung mitgerissen und trieb immer weiter Richtung Norden ab. Der Bootsführer wartete an der verabredeten Stelle im Süden, niemand tauchte auf. Die Gruppe trieb immer weiter ab. Nach drei Stunden wurde eine Suchaktion im Süden eingeleitet; es wurde ja angenommen, dass die Taucher nach Süden gedriftet sind.

Coordination in egypt, and not only here, is somehow like the wind blows, drifting, shifting, unpredictable. You wake up this morning and the end is always near.

Taucher01Taucher02

Die Tauchbetreiber wussten von der Umkehrströmung, wussten von den Haien. Und so kam es wie es kommen mußte. Der Rettungshubschrauber durfte nicht starten, weil niemand die 8.000 Euro hinterlegen konnte, wollte, durfte – wie auch immer. In der Zwischenzeit spaltete sich die Gruppe, ein Russe versuchte es auf eigene Faust, der Rest verblieb und wartete auf die Rückkehr. Der Russe überlebte als Einziger; er wurde 40 km nordwärts mit der Strömung mit getrieben, bevor er es an Land schaffte. Das Schicksal vom Rest der Truppe lässt viel Spielraum für Spekulationen. Nachdem bekannt wurde, wo man suchten musste, lief mit Hochdruck eine 24-stündige Suchaktion an – vergebens. Es darf vermutet werden, dass es Haie waren, welche zu dieser Jahreszeit nachts sehr aktiv sind. Dazu kommt kein Trinkwasser, Dunkelheit, die Urangst, Haie. Eines führte zum anderen, und letztendlich war der erfolgreichste Jäger im Wasser dem erfolgreichsten Jäger an Land in jeder Hinsicht überlegen. Haie nehmen keine Geiseln, hinterlassen keine Spuren. Sie fressen Dich einfach und ziehen weiter. Die Moral der Geschichte ist aber eine ganz andere: Die von der Presse dargestellte Variante zog den Schluss, dass es – wieder einmal – ein zufälliges Unglück war, Carsten, der deutsche Betreiber der Villa und selber Tauchlehrer schrieb kürzlich eine Gegendarstellung, mehr eine Richtigstellung der Ereignisse, an das größte deutsche Tauchermagazin. Über den eigentlichen Tod der Taucher kann natürlich nur spekuliert werden. Die Antwort des Chrefredakteurs fiel unangemessen aus; falls es in Zukunft weitere kritische Gegendarstellung zur offiziellen – seichteren – Unfallvariante kommen sollte, dann hat das Konsequenzen auf sein Business. Es werden einfach negative Meinungen über sein Hotel sowie Tauchschule verbreitet.

Information is such a wonderfull, yet powerfull weapon.

 

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